MC Leadership Interview mit Beate Wolf, 27.5.2021
Beate Wolf hat einen spannenden Karriereweg zurückgelegt: Nach einem Start im Dienstleistungsbereich im Tourismus mit sechs Jahren Erfahrung bei Marriott und viel Auslandserfahrung wechselte Beate in den Bereich Eventmanagement und Catering und studierte nebenbei Handelswissenschaften auf der WU. Anschließend an das Studium war Beate im RSC (Raiffeisen Service Center) tätig und stieg dort 2013 zur Bereichsleiterin im Qualitäts-, Prozess- und Kostenmanagement auf. 2015 wurde Beate in die erweiterte Geschäftsleitung berufen, bevor sie 2018 Vorstandmitglied der Valida Plus AG wurde. Seit 2020 ist Beate Wolf nach einer Umstrukturierung auch im Vorstandsteam der Valida Vorsorge Management tätig.
Gerlinde Layr-Gizycki: Das Geschäftsmodell einer Pensionskasse ist ein Besonderes. Könntest du euer Geschäftsmodell beschreiben und erläutern, wodurch ihr im Vergleich zum Mitbewerb hervorstecht?
Beate Wolf: Die Valida gehört zur Sparte der Banken und Versicherungen. Als betriebliche Pensions- und Vorsorgekasse wird keine herkömmliche Direktversicherung, sondern eine Pensionsversicherung für Betriebe angeboten. Der Leistungsempfänger ist der ehemalige Mitarbeiter, und der ehemalige Arbeitgeber unser Vertragspartner. Die Vorsorgekasse vertritt das Thema „Abfertigung Neu“, dabei wird ein Modell angestrebt, das auch in der Pension verwendet werden kann. Als dritten Part gibt es noch die Gutachtensmathematik, wobei unsere Experten als Consultants für die Betriebe tätig werden. Beide Kassen werden nach einer Umstrukturierung 2020 jetzt in der Holding umfasst; es wurde ein Unternehmen gestartet, das skalierbar ist und damit es für alle Gesellschaften einen zentralen Ansprechpartner gibt. Das war auch eine spannende Herausforderung, mitten in der Coronazeit ein digitales Team neu zu übernehmen und den Aufgabenbereich neu zu positionieren, hat aber auch viel Spaß gemacht.
Henrietta Egerth: Was ist das Typische am österreichischen Pensionssystem? Wie kann man unterschiedliche Zielgruppen konkret ansprechen und für das Modell der betrieblichen bzw privaten Vorsorge motivieren?
BW: Im gesetzlichen österreichischen Pensionsmodell gibt es ein Drei-Säulen Modell: Die erste Säule beruht auf staatlicher Finanzierung, die zweite betriebliche Pensionsvorsorge und die dritte private Pensionsvorsorge – Valida ist hier in der betrieblichen Säule einzuordnen. Die Kultur in Österreich verlässt sich sehr stark auf die staatlich finanzierte Säule. In Österreich herrscht auch bei Jungen ein sehr schwaches Bewusstsein für die betriebliche und private Pensionsvorsorge. Ein kurzer Vergleich: In Österreich werden nur 5,5% des BIP für Altersvorsorge verwendet, während es in anderen Ländern der OECD 126% sind. Der Unterschied wird noch deutlicher, wenn man auf die Frauen schaut – Österreich ist auf Platz 3 des Pension Gaps, der 40% beträgt – in Spitzenländern wie Estland ist dieser lediglich 3%. Hier spielen mehrere Faktoren, wie eine geringe betriebliche Altersvorsorge in Sektoren, wo Frauen stark vertreten sind, mit und die Teilzeitsituation kommt noch zusätzlich erschwerend dazu. Es ist wichtig, hier noch mehr aufzuklären und das Financial Literacy Thema schon in den Schulen zu stärken. Diese Unterschiede bauen sich über viele Jahre auf und es muss jetzt etwas getan werden, damit in einigen Jahren die Situation wieder besser ist – Aufklärung und die einfache Gestaltung eines komplexen Themas etwa mit der Hilfe von Digitalisierung sind hier sehr wichtig. Einen Versuch hat die Valida hier mit Erklärvideos auf der Homepage gestartet. Auch von Seiten der Politik müssen hier essenzielle Schritte gesetzt werden. Es ist ein Zusammenwirken von unterschiedlichen Seiten notwendig.
GLG: Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass in Estland 32% und in Österreich 8,9% Frauen im Top Management tätig sind– hier gibt es sicher einen Zusammenhang.
BW: Ja, in den osteuropäischen Ländern ist es natürlicher, bald wieder zu arbeiten zu beginnen und Führungsverantwortung zu übernehmen – nicht so ungewöhnlich wie bei uns, außerdem zahlt es sich aus in der Pension.
GLG: Bis 2050 wird es knapp 47% Erwerbspersonen geben, 5% weniger als jetzt. Wie wird das von deiner Branche eingeschätzt?
BW: Einerseits lässt sich genau berechnen, was auf uns zukommt, andererseits ist es wichtig, in unterschiedlichen Kanälen das Thema Pension zu schärfen und für Aufklärung zu sorgen. Zukünftig wird es auch attraktiv sein, wenn sich Mitarbeiter für Unternehmen mit betrieblicher Altersvorsorge entscheiden. In der Schweiz beispielsweise ist das für etablierte Unternehmen bereits selbstverständlich – das ist auch eine große Chance für Pensionskassen, wenn es aktiv angesprochen wird. Wichtig ist es, sich da auf allen 3 Säulen zu bewegen, hier wird auch momentan an einer App gearbeitet, wo auf einen Blick der persönliche Status in allen 3 Säulen sichtbar wird. Dafür ist es wichtig, sich mit dem Financial Literacy Thema auseinanderzusetzen.
HE: Man sieht am Thema Klimaschutz, dass auch die Jugend sich mit für die Gesellschaft relevanten Themen beschäftigt und zu Verzicht bereit ist. Warum ist das bei Pension und Altersvorsorge nicht präsenter in den Köpfen von jungen Menschen? Was machen vergleichbare Versicherungen in anderen Ländern „besser“, was kann man tun, damit dieses Thema hier mehr fokussiert wird?
BW: Hier muss man wirklich in die Aufklärung gehen und das Bewusstsein für die finanzielle Situation schärfen. Das kann man auch nur über Generationen hinweg beeinflussen, hier haben Eltern eine große Vorbildfunktion für ihr Kinder. Die Unternehmen müssen auch viel dazu tun und in Schulen gehen, um das komplexe Thema einfach darzustellen. In anderen Ländern sind die Rahmenbedingungen günstigere, beispielsweise der Bereich Steuern und Prämien, der ganz anders gestützt wird als bei uns. Hier muss wirklich die Aufklärung im jungen Alter beginnen.
GLG: Wie schätzt du das Mindset von Versicherungen vor allem in Bezug auf Digitalisierung ein? Versicherungen und klassische Finanzdienstleister sind hier nicht gerade als Vorreiter bekannt.
BW: Die Valida gibt es als Pensionskasse seit über 30 Jahren. Wir haben wirkliche Experten bei uns, die das Geschäftsmodell kennen und sehr vertrauensvoll mit unseren Kunden zusammenarbeiten können. Das bringt oft den Beigeschmack mit sich, dass diese Experten resistent für Veränderungen sind – das trifft bei der Valida aber nicht zu. Unsere Digitalisierungsstrategie ist eine der schönsten Erfolgsgeschichten. Mir war es wichtig, dass die Pensionsleistungen über eine App und ein Portal digital abrufbar sind und wir hier eine einfachere Handhabung für unsere Kunden schaffen können. Bereits 2020 haben wir die App und das Portal gestartet und sukzessive melden sich immer mehr Leute an. Das ist wichtig für die Zukunft, wenn man Informationen hier auch leichter und transparenter abrufen kann, anstatt auf ein jährliches Schreiben zu warten. Für die Valida hat das super funktioniert.
HE: Die digitale Transformation bedeutet auch, strategische Prozesse und den richtigen menschlichen Faktor zu haben – Mitarbeiter, die den Prozess mittragen. Wie wird dafür das bestehende Personal umgebaut?
BW: Der Wille ist da. Als wir die App lanciert haben, haben wir mit einem Startup zusammengearbeitet, um die App zu bauen – bis unsere Kollegen gesehen haben, dass wir das auch intern mit unserem IT Team billiger machen können, was super funktioniert hat. Das hat viel mit Motivation und Ausblick zu tun. Den Mitarbeitern muss gezeigt werden, dass man das wirklich will und sie müssen bereit sein, die Reise zu starten und über ihre Grenzen zu gehen. Von diesen Erfolgsgeschichten profitiert das ganze Unternehmen, da Weiterentwicklung sichtbar wird und so auch dieser Mindset Change generiert werden kann, da das motiviert.
GLG: Was sind die interessanten Zielgruppen, wenn die Valida in Österreich Personal sucht? Was bietet die Valida?
BW: Unser Geschäftsmodell ist sehr langfristig, stabil und in die Zukunft orientiert. Wenn man bei uns eine Ausbildung startet, arbeitet man mit Experten zusammen, die auch eine stabile Stammmannschaft repräsentieren. Bei uns kann man die einzelnen Stationen durchlaufen und unglaublich viel Know How sammeln. Spannend ist auch, dass hinter uns die Eigentümer UNIQA und RBI stehen, die auch große Möglichkeiten in vielen Bereichen mit unterschiedlichen Schwerpunkten bieten, ob regional oder international. Man kann an einem großen Transformationsprozess teilhaben und hier auch selbst was mitbewegen. Vor allem die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen bietet sehr viele spannende Erfahrungen, was auch durch neue Arbeitsmodelle vereinfacht wird.
HE: Das Thema Nachhaltigkeit wird immer mehr zum Pull-Faktor für Mitarbeiter und spielt zunehmend eine größere Rolle, genauso wie soziale Verantwortung. Was ist der Standpunkt der Valida dazu?
BW: Mit dem Nachhaltigkeitsbericht erfüllen wir nicht nur einige Anforderungen, sondern gehen auch darüber hinaus. Als Pensionsvorsorgeunternehmen haben wir auch eine gesellschaftliche Verantwortung und müssen dafür Sorge tragen, dass das Thema breiter besprochen und mehr verankert wird. Bei den Nachhaltigkeitskriterien müssen wir richtige Schritte setzen und beispielsweise Green Energy weiter unterstützen. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg. Das geht natürlich auch immer mehr ins Bewusstsein der Anleger und Kunden, daher ist es zusätzlich wichtig, das anzubieten.
GLG: Nun zu dir als Persönlichkeit: Das Team ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren – Wie gelingt es Dir, auch in herausfordernden Zeiten und unsicheren Situationen, deine Teams zusammenzuhalten und zu motivieren? Wie ist Dein Führungsstil, wenn es besonders stressig wird?
BW: Mein Credo ist es, für direkte Mitarbeiter vor allem präsent und ansprechbar sowie vor Ort im Unternehmen zu sein. Auch während der Coronazeit haben wir uns mit den Bereichsleitern ausgemacht, dass wir uns unter allen Sicherheitsvorkehrungen einmal die Woche persönlich sehen. Das hat uns gut über diese Zeit geholfen. Im Dezember 2020 haben wir einen moderierten Teamworkshop zusammen gemacht und uns über unsere Perspektiven Gedanken gemacht. Präsent sein ist sehr wichtig, um den Kollegen zu zeigen, dass man hinter ihnen steht und dass man sich gegenseitig aufeinander verlassen kann. Mitarbeiter sollen und dürfen auch viele Entscheidungen selbst treffen, notwendige Entscheidungen treffe auch ich, auch wenn ich einen nicht sehr hierarchischen Führungsstil pflege. Ich versuche damit einen sicheren Rahmen vorzugeben, in dem man sich frei bewegen kann.
HE: Du bist die einzige Frau in einem Vierervorstand. Was ist deine schlechteste Erfahrung als Frau in einer Führungsposition, und was ist das Beste, was du hier erlebt hast?
BW: Die Konstellation ist natürlich eine spannende neue Herausforderung. Einmal in einer Diskussion habe ich einen Lösungsvorschlag gebracht, der von den Herren nicht gehört wurde. Der Moderator ist nachher auf mich zugekommen, als genau die Lösung dann gefunden wurde. Er hat gemeint, dass zuerst das Problem in Ruhe diskutiert werden muss, bevor man mit einer Lösung vorprescht. In meiner bisherigen Berufserfahrung war es immer sehr wichtig, schnell Lösungen zu finden. Doch es ist auch wichtig, zuerst denselben Wissensstand zum Problem zu etablieren – das nahm ich als Learning mit. Mentoring ist auch ein sehr wichtiger Aspekt, durch den Austausch mit einem Mentor kann man ein besseres Gefühl bekommen, wie andere Kollegen arbeiten und sehr viel daraus generieren – hier habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht und kann es nur weiterempfehlen.
GLG: Du benötigst sicher viel Kraft in deinem Job. Wo und wie tankst du Kraft, wie schaffst du das alles?
BW: Meine Familie ist ein toller Ausgleich, auch wenn Teenager Kinder einen sehr fordern können. Wir wohnen am Rande von Wien und haben das Glück, viel draußen machen zu können, was uns als Familie sehr wichtig ist. Vor einem Jahr habe ich begonnen, Klavier zu spielen. Da konzentriert man sich auf etwas ganz anderes und geht aus seiner Komfortzone heraus, es ist auch eine sehr entspannende Tätigkeit und eine spannende neue Erfahrung.
HE: Jede Führungskraft hat auch die Challenge, sich immer wieder selbst zu fordern und offen für neue Impulse zu sein. Wenn Klavierspielen das im privaten Bereich ist, was ist es im beruflichen Bereich?
BW: Hier geht es auch immer darum, zu schauen, was ich als nächsten Schritt machen möchte, und was mir am Weg dahin noch fehlt. Aus der RSC kommend war das Pensions- und Vorsorgemodell etwas Neues für mich. Hier musste ich auch gleich die FMA Prüfung absolvieren und mich sehr stark mit den zugehörigen Gesetzen auseinandersetzen. Den Gesetzestext zu lernen und einer Prüfung standzuhalten, war seit dem Studium wieder eine neue Herausforderung. Ich habe eine sehr große Verpflichtung – hier ist es auch wichtig, genau zu wissen und zu können, was man macht und sich hier der Challenge diverser Prüfungen zu stellen. Mir wird nicht fad, es gibt immer etwas Neues zu lernen.
HE: Ein Wunsch für Deine Zukunft?
BW: Einen weiteren Karriereschritt zu machen und gesund zu bleiben.
HE: Wir bedanken uns ganz herzlich für das spannende Gespräch!
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